Pegnitz, 04.03.2014
Den Systembetreibern im dualen System in Deutschland fehlen in diesem Jahr laut Euwid Recycling zwischen 130 und 150 Mio. Euro zur Systemfinanzierung. Es droht angeblich der Kollaps bzw. die Zahlungsunfähigkeit einzelner Systemanbieter.
Mit der überraschenden Kündigung der Clearingverträge gefährdet DSD die Entsorgung des „Gelben Sacks" dramatisch. DSD hatte bereits im 4. Quartal 2013 und im 1. Quartal 2014 mit dem Herausziehen großer Mengen aus ihrem dualen System überrascht, sodass sogar der zuständige Wirtschaftsprüfer kritisiert, dass die geplanten - vermutlich enormen - Eigenrücknahmemengen von DSD nicht ausreichend plausibel sind. Thomas Mehl, Geschäftsführer von BellandVision GmbH: „Für uns hat es den Anschein, dass DSD tatsächlich einen Kollaps des gesamten Systems in Kauf nimmt, um die Politik für eine schnelle Novelle in ihrem Sinne zu beeinflussen." Nach den Inhalten der vorliegenden 6. und 7. Novellen scheint diese Rechnung aufzugehen.
Gesetzliche Schlupflöcher und fehlende Kontrollen haben zu Trittbrettfahrerei sowie Missbrauch und Tricksereien bei einigen dualen Systemen geführt. Das hat die Politik auf den Plan gerufen, die eine Novellierung der Verpackungsverordnung anstrebt. Das zweitgrößte duale System BellandVision aus Bayern legt jetzt einen eigenen Lösungsvorschlag zur anstehenden Novelle der Verpackungsordnung (VerpackV) vor, der die Probleme am Schopf packt. Zudem hat BellandVision seinen Wettbewerbern im Februar eine kurzfristig umsetzbare stabilisierende Übergangslösung für das laufende Jahr 2014 vorgeschlagen. Diese Lösung fand rege Zustimmung bei acht dualen Systemanbietern, scheitert jedoch bislang am Widerstand von zwei Systemen.
Im derzeitigen dualen System basiert die Berechnung der Marktanteile und damit der Anteile an den Entsorgungskosten allein auf den Mengenangaben der zehn Systemanbieter. Das Prinzip: Je niedriger die Menge, umso geringer der Marktanteil und umso niedriger die Kosten für das System. Die Praxis der Mengenreduzierung haben die Systembetreiber DSD und Redual im 4. Quartal 2013 begonnen und damit eine Mengenspirale nach unten in Gang gesetzt. Einige Anbieter scheinen nun ihre Planmengenmeldungen vorsorglich zu senken, um nicht mit zu hohen unrealistischen Marktanteilen und Kosten beaufschlagt zu werden. Die Summe der gemeldeten Planmengen fällt dadurch immer weiter unter die tatsächlich lizenzierten Verpackungsmengen, obwohl die Lizenzentgelte von Handel und Industrie für die vereinbarten Mengen weiterhin bezahlt werden. Die Folge: Einige Anbieter halten ihren Marktanteil scheinbar künstlich gering, in dem sie weniger Mengen melden als sie tatsächlich lizenzieren. Für andere Anbieter erhöht sich dadurch der Marktanteil und diese müssen in der Folge für Mengen bezahlen, für die sie keine Lizenzentgelte erhalten.
Politik leistet Verdrängungswettbewerb im dualen System Vorschub
Kurz nach der 4. Quartalsmeldung 2013 der dualen Systeme hat das Umweltministerium des Landes NRW im Oktober 2013 im Zuge der 6. Novellierung der VerpackV Anträge vorgelegt. Diese sehen eine Abschaffung der sogenannten Eigenrücknahme und eine faktische Abschaffung der sogenannten Branchenlösung vor. Denn hier werden die Schlupflöcher vermutet, mit Hilfe derer Mengen aus dem dualen System unzulässiger Weise herausgerechnet werden. Der Änderungsvorschlag trägt Kritikern der Eigenrücknahme Rechnung, die hierzu gerne anmerken, dass eine hohe Rückgabemenge z. B. von Joghurtbechern durch den Kunden beim Supermarkt utopisch sei. Bei der Eigenrücknahme machen Supermärkte jedoch lediglich 2,9 Prozent aus. Vielmehr ist die Eigenrücknahme ein bedarfsgerechter Entsorgungsweg auch für andere Vertriebsschienen, wie z.B. Zustellhändler und Systemgastronomen, die die Verpackungen gesetzeskonform am Ort der Abgabe (z.B. Lieferrampe) oder im Fast-Food-Restaurant direkt vom Verbraucher zurücknehmen. Dies geschieht unter anderem auch, weil dort keine bedarfsgerechte Entsorgung durch duale Systeme stattfindet. Laut einer Studie der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) könnten auf diese Weise insgesamt 11,1 % der gesamten Lizenzmenge zurückgenommen werden.
Ein Vorschlag wird nun entweder im Zuge der 6. Novelle der VerpackV von NRW oder in einer 7. Novelle der VerpackV vom Bund kurzfristig in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Der Entwurf für die 7. Novellierung des Bundesumweltministeriums liegt bereits vor. Der NRW-Vorschlag und die 7. Novelle, würden sie gesetzliche Realität werden, verdrängen Entsorgungsanbieter, deren Geschäft aus Branchenlösungen besteht oder die Ihren Kunden neben der dualen Lizenzierung auch die Abwicklung der Eigenrücknahme anbieten, vom Markt. Der Wettbewerb der Entsorgungsalternativen könnte nicht mehr stattfinden, die Preise steigen, Innovationen werden verhindert - die Endkunden zahlen drauf.
Bedarfsgerechte Entsorgung ohne Tricksereien: Feintuning und Kontrolle statt Abschaffung
Eigenrücknahme und Branchenlösung sind neben dem dualen System unabdingbarer Bestandteil eines bedarfsgerechten sowie ökologisch und ökonomisch sinnvollen Entsorgungssystems. Sie sind in der Praxis bewährt und folgen dem Grundgedanken der originären Produktverantwortung, dass der Hersteller/Vertreiber seinen Entsorgungspflichten selbst nachkommt.
Anstatt funktionierende Systeme aufzugeben und dadurch unnötige Mehrkosten für Endkunden zu verursachen, setzt sich BellandVision für den Erhalt von Eigenrücknahme und Branchenlösung mit Feintuning und effektiveren Kontrollmöglichkeiten ein. Bestehende Schlupflöcher müssen geschlossen werden, um Manipulationen auszuschließen. Mit wenigen Änderungen bei Eigenrücknahme, Branchenlösung und Vollständigkeitserklärung kann das duale System nach Auffassung von BellandVision nachhaltig fortentwickelt werden - ohne wichtige Entsorgungsalternativen aufzugeben. Der Lösungsvorschlag von BellandVision schlägt damit die Brücke zwischen der politischen Forderung nach dem Ende der Tricksereien und den Bedürfnissen der Wirtschaft nach einer bedarfsgerechten Entsorgung ohne die geplante Doppelbelastung durch Lizenz- und Entsorgungsgebühren. Thomas Mehl von BellandVision betont: „Branchenlösung und Eigenrücknahme müssen als bewährte Alternativen zur dualen Entsorgung erhalten bleiben. Sie bilden den Ursprung des Gedankens der originären Produktverantwortung, die einst eine zentrale Idee der Väter der Verpackungsordnung war."
Wesentliche Inhalte der von BellandVision vorgeschlagenen Novelle:
Zusätzlich bedarf es einer Reform und einer Erweiterung der sog. Vollständigkeitserklärung. Alle gemeldeten Verpackungsmengen der Erstinverkehrbringer sind mit den lizenzierten Verpackungsmengen bei dualen Systemen und Branchenbetreibern abzugleichen. Die Prüfung darf nur von unabhängigen Sachverständigen oder Wirtschaftsprüfern mit Sachkundenachweis durchgeführt werden. Bei der Einführung einer Pflicht zur Abgabe einer Vollständigkeitserklärung unterhalb der Bagatellgrenzen ist künftig eine Richtigkeitsbestätigung des Verpflichteten unter Angabe der in Verkehr gebrachten und lizenzierten Mengen erforderlich.
Bei Wegfall von Eigenrücknahme und Branchenlösung zahlen Kunden doppelt!
Das NRW-Umweltministerium und das BMUB dagegen möchten mit der nächsten Novelle der VerpackV die Eigenrücknahme ganz abschaffen und die Branchenlösung de facto unmöglich machen. Zum Beispiel sollen Hersteller in Branchenlösungen künftig bei allen von ihnen selbst belieferten Anfallstellen die eigenen Verpackungen aus den Containern herauszusuchen und können nur diese als Branchenmenge geltend machen. Tausende von Anfallstellen sollen die kostenlose Entsorgung dann per Unterschrift jedem Lieferanten bestätigen. Dies hat mit der gängigen Entsorgungspraxis nichts zu tun und ist in mehr als 95 Prozent der Fälle nicht umsetzbar.
Endverbraucher, wie Hotels, Gastronomen, Krankenhäuser, Kantinen, Verwaltungen, Heime, landwirtschaftliche Betriebe usw., die bisher über Branchenlösung oder Eigenrücknahme entsorgt werden bzw. Vertreiber, die ihren Kunden die Verpackungsrücknahme anbieten, müssten nach dem vorliegenden BMUB-Entwurf nahezu vollständig über duale Systeme entsorgt werden und dort Lizenzgebühren bezahlen. Doch in der Praxis können die dualen Systeme diese Großanfallstellen nicht bedienen, da Entsorgungsintervalle und Sammelkapazitäten nicht ausreichend sind. Einem Hotel oder einer Betriebskantine kann bspw. allein aus hygienischen Gründen nicht zugemutet werden, große Mengen an Verpackungen mit Speiseresten über mehrere Tage oder gar Wochen bis zur dualen Abholung zu lagern. Die Kunden wären also gezwungen, weiterhin eine eigene bedarfsgerechte Entsorgungslösung zu finanzieren und zugleich Entgelte für eine duale Leistung zu entrichten, die sie nicht in Anspruch nehmen (können). Sie zahlen damit doppelt und die dualen Systeme erhalten Entgelte für Nichtleistung.
Hintergrundinformationen
Das duale System
Laut Verpackungsverordnung (VerpackV) sind Hersteller und Vertreiber von Verkaufsverpackungen gesetzlich verpflichtet, diese Verpackungen zurückzunehmen und zu verwerten. Dazu beteiligen sie ihre Verkaufsverpackungsmengen an einem sogenannten dualen System. Das duale System erfasst die Verkaufsverpackungen bundesweit am Haushalt und führt diese einer Verwertung gemäß VerpackV zu. Handel und Industrie schließen mit einem der 10 dualen Systembetreiber einen Lizenzvertrag ab und zahlen für ihre in Verkehr gebrachten Verpackungsmengen Lizenzentgelte, die zur Finanzierung der Entsorgung dienen. Die dualen Systeme melden der Clearingstelle pro Quartal, welche Verpackungsmengen sie unter Vertrag haben. Die Stelle errechnet auf dieser Basis für jedes System die Marktanteile. Anhand der Marktanteile muss sich das jeweilige duale System prozentual an den vereinbarten Erfassungskosten für Verpackungen beteiligen und übernimmt marktanteilsmäßig die Verpackungsmengen zur Sortierung und Verwertung gemäß VerpackV.
Eigenrücknahme und Marktpotenzial
Die Eigenrücknahme bietet Vertreibern heute die Möglichkeit, Verpackungen am Ort der Abgabe vom Kunden zurückzunehmen. Für die auf eigene Kosten selbst erfassten / zurückgenommenen und verwerteten Verpackungen können die Vertreiber dann die Lizenzentgelte von dualen Systemen zurückfordern, weil vom dualen System keine Leistung in Anspruch genommen wurde. Diese Möglichkeit nutzen Vertreiber wie z. B. Super- und Diskontmärkte, Cash + Carry Märkte, Systemgastronomen, Großverbraucher-Zustellhändler, etc., um ihren Kunden einen zusätzlichen Service und gewünschte Entsorgungsmöglichkeiten anzubieten.
Nach jüngster Studie der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) liegt das Eigenrücknahme-Potenzial bei den Leichtverpackungen (wie Joghurtbecher oder andere Plastikverpackungen) bei ca. 250.000 Tonnen pro Jahr. Die Eigenrücknahmemengen lagen in den letzten Jahren immer um ca. 100.000 Tonnen LVP pro Jahr. Für das erste Quartal 2014 wurde eine deutlich erhöhte Eigenrücknahme-Planmenge von hochgerechnet ca. 235.000 Tonnen/Jahr gemeldet. Diese sprunghafte Erhöhung ist nicht nachvollziehbar und wird vermutlich von Interessierten als Druckmittel auf den Gesetzgeber genutzt, damit die Eigenrücknahme kurzfristig abgeschafft wird. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden sich die geplanten Eigenrücknahmemengen bei der Jahresendmeldung nicht bestätigen, weil künstlich hochgemeldet und ohne Vertreiberbezug. Der zuständige Wirtschaftsprüfer von DSD hat bereits im 1. Quartal 2014 die Plausibilität der DSD-Eigenrücknahmemengen in Frage gestellt.
Branchenlösung - weitere bedarfsgerechte Entsorgungslösung
Die Pflicht zur Beteiligung an einem dualen System entfällt, soweit Hersteller und Vertreiber von Verkaufsverpackungen an Anfallstellen liefern, die den privaten Haushalten gleichgestellt sind, weil sie die Waren in der an sie gelieferten Form nicht mehr weiter veräußern. Dies sind zum Beispiel Großanfallstellen, wie Krankenhäuser, Hotels, Freizeitparks etc.
Diese Großanfallstellen lassen in der Regel ihre Verpackungen nicht über duale Systeme entsorgen, da deren Entsorgungsintervalle und Sammelkapazitäten nicht ausreichen. Alternativ können diese Anfallstellen gemäß Verpackungsverordnung im Rahmen von Branchenlösungen entsorgt werden. Die Branchenlösungen können sich individuell auf die Marktbedürfnisse einstellen.
Betreiber von Branchenlösungen haben wie die dualen Systeme die Erfüllung der Rücknahme- und Verwertungsanforderungen gemäß VerpackV nachzuweisen (Mengenstromnachweis).
Bei Branchenlösungen werden die branchenfähigen Verpackungsmengen aktuell über Studien, unternehmensindividuelle Gutachten oder Vertriebswegeanalysen ermittelt. Die Mengenermittlungen führen teilweise zu unrealistisch hohen Branchenanteilen. Hierfür sind fehlerhafte Gutachten und Vertriebswegeanalysen sowie mehrere unrealistische Studien verantwortlich, aber auch die parallele Anwendung aller - die sich gegenseitig beeinflussen und die Basis für die Ermittlung verfälschen. Hier besteht Handlungsbedarf in der Festlegung der Ermittlungsmethodik der branchenfähigen Mengen, die für alle Erstinverkehrbringer gelten und Fehler sowie die gegenseitige Beeinflussung ausschalten. Da die Branchenlösung von der Pflicht zur Teilnahme an dem teureren dualen System und somit der Entrichtung der Lizenzentgelte befreit und deutlich geringere Preise anbietet, nutzen einige Anbieter und Erstinverkehrbringer unrealistisch hohe Branchenmengen.
Die Branchenmengen in LVP sind von 2012 von rund 265.000 Tonnen pro Jahr auf geschätzt 325.000 Tonnen/a in 2013 gestiegen. In 2014 werden die Branchenmengen hochgerechnet auf ca. 525.000 Tonnen/a eingeschätzt. Die Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) gibt das LVP-Potential für Branchenlösungen mit ca. 255.000 Tonnen/a an.
Die BellandVision GmbH, mit Sitz in Pegnitz, ist eine 100%ige Tochter der SITA DEUTSCHLAND und damit ein Unternehmen der SUEZ ENVIRONNEMENT Gruppe. Der börsennotierte französische Konzern umfasst die gesamten Aktivitäten in der Wasser- und Abfallwirtschaft der SUEZ Gruppe.