Pegnitz, 16. Juni 2016
von: Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung, Industrievereinigung Kunststoffverpackungen, Handelsverband Deutschland, Markenverband, Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag, Deutscher Städte- und Gemeindebund, Verband kommunaler Unternehmen
Als Betreiber der dualen Systeme BellandVision, Interseroh, Veolia Dual und Zentek sehen wir uns veranlasst zum oben genannten Verbändepapier „Weiterentwicklung des Verpackungsrechts“, welches heute veröffentlicht wurde, kritisch Stellung zu nehmen. Da wir ebenfalls an der nachhaltigen Fortentwicklung des Verpackungsrechts großes Interesse haben, beschränken wir uns auf die aus unserer Sicht wesentlichen Punkte:
Selbstverständlich ist es unser Anliegen, die Systeme zur Erfassung von Verpackungen möglichst bürgerfreundlich zu gestalten. Allerdings liegt der wesentliche Fokus der Verpackungsverordnung darauf, möglichst effiziente Rücknahmesysteme einzurichten, um insbesondere aus Umweltschutzgesichtspunkten die bestmöglichen Prozesse zum optimalen Preis-Leistungsverhältnis umzusetzen.
Hierzu sind die Erfassungssysteme so zu gestalten, dass die geforderten Verwertungsquoten zu wirtschaftlichen Konditionen erreicht werden können. Kostentreibende Individual- und Sonderlösungen für Kommunen, beispielsweise Festlegung von Behälterart, -größe und Abholintervall, sollten bereits deshalb vermieden werden, da alle Verbraucher über den Einkauf ihrer Produkte mit diesen Kosten gleichermaßen belastet werden, aber keine gleichen Leistungen erhalten. Hierzu muss die Erfassung so effizient wie möglich ausgestaltet sein, was ausschließlich durch Ausschreibung im freien Wettbewerb erzielt werden kann. Auch Behälter- bzw. Erfassungssysteme sind nur im Wettbewerb zu vergeben und somit ein originärer Bestandteil der Auftragsvergabe.
Die Ausgestaltung der Erfassungssysteme (Behälter und Abfuhrrhythmus etc.) ist unzweifelhaft entscheidend für die notwendigen Erfassungsmengen und somit maßgeblicher Faktor für die Erfüllung von Verwertungsquoten, die einzig im Verantwortungsbereich der dualen Systeme liegt. Zudem ist die Ausgestaltung des Erfassungssystems ausschlaggebend für zwei Drittel der Gesamtkosten. Eine Hoheit der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (örE) über die Ausgestaltung des Systems würde de facto dazu führen, dass die Kommunen die wesentlichen Kostenbestandteile frei bestimmen könnten, ohne jedoch die Verantwortung für Kosten und Sammelmengen zu tragen. So würde beispielsweise alleine eine Orientierung der Verpackungsentsorgung an der kommunalen Hausmüllabfuhr zu Kostensteigerungen im dreistelligen Millionenbereich führen.
Die unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten der örE greifen unmittelbar in die Kalkulation der dualen Systeme ein und führen damit zu Wettbewerbsverzerrungen. Auf Ebene der Systembetreiber würde die bisherige Ausschreibungssystematik und die Zuweisung der Kostenverantwortung nicht mehr funktionieren und könnte für Systeme im Einzelfall existenzbedrohend werden. Kommunale Sonder- und Individuallösungen würden zudem den Wettbewerb zwischen den Erfassungsunternehmen erheblich beeinträchtigen.
Das zur Wahrung der unterschiedlichen Interessen seit Jahren bewährte Konsensualprinzip im Rahmen der Abstimmung, soll allein zu Lasten der privatwirtschaftlich organisierten Produktverantwortung aufgegeben werden.
Das Abstellen auf das Gebührenrecht widerspricht dem wettbewerblichen Ansatz der privatwirtschaftlichen Verpackungsentsorgung. Festgesetzte Gebühren führen zu deutlichen Kostenerhöhungen für die dualen Systeme und somit letzten Endes auch für Wirtschaft und Verbraucher. Die unterzeichnenden Betreiber dualer Systeme sprechen sich stets dafür aus, dass Leistungen in einem nachhaltigen effizienten Verfahren und im freien Wettbewerb zu vergeben sind. Diesem freien Wettbewerb können sich selbstverständlich private und kommunale Dienstleister stellen.
Der Ausschluss des Herausgabeanspruchs der Fraktion Papier/Pappe/Karton (PPK) ist mit den Grundlagen der dualen Verantwortung der Verpackungsentsorgung nicht vereinbar. Der Verpackungsanteil, für welchen die private Wirtschaft verantwortlich ist, muss den dualen Systemen zur Verfügung stehen und in den Wettbewerb gestellt werden. Das Bundeskartellamt hat sich in der Vergangenheit wiederholt zu den wettbewerbsrechtlichen Anforderungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) im Rahmen der PPK–Entsorgung geäußert, wonach die Verantwortung für den Verpackungsanteil eindeutig bei den jeweiligen dualen Systemen und deren Entsorgungsdienstleistern liegt. Die Verantwortlichkeiten werden so auch in den übrigen Fraktionen, insbesondere dem Bereich der gemeinsamen Erfassung von Leichtverpackungen und stoffgleichen Nicht-Verpackungen, geteilt.
Planungsunsicherheiten des örE sind nicht erkennbar, da deren Planung sich ausschließlich auf die Wertstoffe beschränkt, die in ihrer Entsorgungsverantwortung (Nichtverpackungen) liegen. PPK-Verpackungen unterliegen dagegen eindeutig der Produktverantwortung der Erstinverkehrbringer und sind durch deren beauftragte duale Systeme wirtschaftlich zu erfassen, zu verwerten und die diesbezüglichen Verwertungsquoten zu erfüllen.
Es besteht keinerlei Veranlassung, die bisherigen und ausreichenden Sicherheitsleistungen der dualen Systeme auf Basis theoretischer, praxisfremder Fallkonstellationen zu erhöhen. Höhere Sicherheitsleistungen müssen letztendlich von den Inverkehrbringern im Lizenzpreis mitfinanziert werden und treiben somit die Kosten für die Verbraucher ohne Mehrwert in die Höhe. Die gesamtschuldnerische Haftung von im Wettbewerb stehenden, unabhängigen Wirtschaftsunternehmen widerspricht den Prinzipien der sozialen und freien Marktwirtschaft und des freien Wettbewerbs. Die Haftung könnte allenfalls auf die Verpflichteten erweitert werden, die das betroffene duale System ohne eine umfassende Prüfung hinsichtlich der Zuverlässigkeit als Partner beauftragt haben.
Metallmengen aus der Restmüllbehandlung zur Quotenerfüllung heranzuziehen, widerspricht und konterkariert die ökologischen und abfallwirtschaftlichen Ziele der getrennten Wertstoffsammlung und –verwertung. Zudem werden die Fraktionen mit solchen Maßnahmen unterschiedlich behandelt. Dies könnte auch dazu führen, dass zum Beispiel verbrannte Kunststoffe in MVAs/MBAs der energetischen Verwertung zugerechnet werden. Glas könnte dann eine weitere Fraktion aus diesem Bereich werden. Ein solcher Irrweg ist im Sinne eines nachhaltigen Wertstoffmanagements unbedingt zu vermeiden, da er die nachhaltige separate Sammlung von Wertstoffen ad absurdum führt und somit das weltweit effektivste Sammelsystem deutlich negativ beeinflussen würde.
Solche Möglichkeiten können zudem dazu führen, dass unseriöse Praktiken forciert werden, z. B. dass Mengen aus Verbrennungsanlagen dazu missbraucht werden, die Quoten aus anderen Sammelgebieten zu erfüllen bzw. dort die Sammlung und Sortierung entsprechend zu reduzieren/einzusparen.
Generell wird die Einrichtung einer Zentralen Stelle – insbesondere zur Sicherstellung, dass alle Inverkehrbringer ihren Pflichten vollumfänglich nachkommen und zur Kontrolle aller Beteiligten – befürwortet. Das vorliegende Papier enthält allerdings keine konkreten inhaltlichen Aussagen zu den skizzierten Aufgaben und Befugnissen der Zentralen Stelle. Die Formulierungen, wonach der Zentralen Stelle hoheitliche Befugnisse im Verhältnis zu den dualen Systemen und Inverkehrbringern eingeräumt werden sollen, lassen die Schaffung eines teuren „Bürokratie-Monsters“, das sich nach eigenem Ermessen Ziele und Aufgaben vergibt, befürchten. Dieser Aspekt wird durch die weiteren Aufgaben im Zusammenhang mit einem Aufbau eines umfassenden Berichtswesens noch verstärkt. Die dadurch entstehenden Kosten sind von Wirtschaft und Verbraucher zu tragen und müssen deshalb dem Kosten-Nutzen-Verhältnis gerecht werden.
Der Hauptzweck zur Einführung eines Wertstoffgesetzes war die gemeinsame Erfassung von Leichtverpackungen und stoffgleichen Nichtverpackungen. Dieses ökologische Ziel wird zu Gunsten kommunaler Zugeständnisse aufgegeben. Entgegen den Ausführungen im vorliegenden Papier, sind praktizierte Fälle der einheitlichen Wertstofferfassung abgesichert. Nach § 6 Abs. 4 VerpackV können die örE die Miterfassung der stoffgleichen Nicht-Verpackungen von den dualen Systeme verlangen. Die inzwischen vielfach praktizierten Modelle sind von den Landesumweltministerien als rechtskonform eingestuft worden.
Die dualen Systeme
BellandVision Interseroh Veolia Dual Zentek
Die BellandVision GmbH, mit Sitz in Pegnitz, ist das größte duale System sowie Dienstleister für bundesweite Entsorgungslösungen. Das Unternehmen ist eine 100%ige Tochter des börsennotierten SUEZ-Konzerns, einem der weltweit führenden Unternehmen für Wasser- und Abfallwirtschaft.